Man stelle sich einmal vor, ein kommerzieller Graffiti-Sprayer würde nicht aufgrund Sachbeschädigung vor Gericht gezerrt werden, sondern wegen Schwarzarbeit. Denn, so die Anklage, dieser Sprayer verfügt nicht über eine Handwerksausbildung als Maler und Lackierer – und wer in Deutschland nicht lernen will, muss fühlen. Dabei lässt sich Kunst gar nicht lernen.
Ob sich von diesem Argument ein Richter überzeugen lässt, wird sich am Mittag des 17.Juni vor dem Lübecker Amtsgericht entscheiden.
Dort wird dann nämlich gegen die Lübecker Tortendesignerin Sylvia Zenz verhandelt, die sich erdreistet, fertige Torten zu Kunstwerken zu veredeln. Und zwar macht sie das bereits seit fünf Jahren und unter wachsendem Erfolg. Und der wurmt die Kreishandwerkerschaft Ostholstein. Missgünstige Konditoren, bei denen das Talent nicht zur Kunst gereicht hat, haben ihrer Berufsgenossenschaft offensichtlich ihren Unmut mitgeteilt – obwohl Zenz nichts anderes macht, als fertige, von Konditormeistern erstellte Produkte, künstlerisch zu veredeln. Und Frau Zenz wehrt sich, schon um ein Exempel zu statuieren und für die Freiheit der Kunst zu kämpfen. Was wiederum die Verwaltung der Hansestadt Lübeck in Gang setzte – die wiederum möchte gern an diesem Streit partizipieren und ein Bussgeld kassieren. Was aber einem Schuldeingeständnis gleich kommt und selbstverständlich jene künstlerische Freiheit (auf die an anderen Stellen die „Kulturstadt Lübeck“) doch so stolz ist) verrät. Und wer sich weigert, über den wird gerichtet! War schließlich schon zu Zeiten der Hanse so…
Und nun dürfen die Handwerksmeister der Innung dem Gericht beweisen, inwiefern Sylvia Zenz Torten eine „Gefahr für Leib und Leben“ darstellen – so argumentieren die Innungen nämlich im Sinne einer Beibehaltung des antiquierten deutschen Meisterzwangs. Denn so sehr die deutsche Politik europäische Richtlinien und Verordnungen liebt – bei den Interessen der Monopolisten des Handwerks hört die europäische Liebe nämlich auf….
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