(K)Ein guter Tag für Lübeck ?!

Lübeck, besser: die Lübecker Bürgerschaft hat gestern einen neuen Kultursenator gewählt! Und es war ein guter Tag für die Hansestadt Lübeck geworden, denn mit einer hauchdünnen Mehrheit wurde nicht der Kandidat gewählt, der sich in den dichtesten Seilschaften befand, sondern diejenige, die die meiste Kompetenz vorweisen kann: Kathrin Weiher, parteilose Kandidatin und derzeit noch Erste Kreisrätin des Landkreises Goslar, machte das Rennen!
Dass Weiher kompetenter ist, als der einzige Gegenkandidat, der Lübecker SPD-Fraktionsvorsitzende Jan Lindenau, lag schon aufgrund der unterschiedlichen Lebensläufe und den gestrigen persönlichen Vorstellungen auf der Hand, die sich doch qualitativ erheblich unterschieden: Schien sich Lindenau im Klein-klein seiner Spickzettel zu verheddern, legte Kathrin Weiher vor der Bürgerschaft eine souveräne Vorstellung hin, bei der verwundert, weshalb sie eigentlich nicht gleich mit einer absoluten Mehrheit gewählt wurde. In den Media-Docks, die während der Rathaus-Sanierung als Ausweichstätte dient, schienen zuvor manche überhaupt kein Interesse an der Vorstellung der Kandidatin zu haben. So erklärte Peter Reinhardt für die SPD, an Weihers Vorstellung eigentlich überhaupt kein Interesse zu haben: Schließlich hätte man ja den kompetentesten Kandidaten bereits aufgestellt (!) Wer sich fragt, weshalb die Lübecker Kommunalpolitik meisten von Pleiten, Pech und Pannen begleitet wird, sollte sich stets an diesem Selbstverständnis erinnern!
Dazu passte jedoch der schäbige Kuhhandel, den die SPD der CDU-Fraktion kurz zuvor anbot: Wenn diese bereit gewesen wären, Lindenau als Kultursenator zu wählen, würde man sich auf bestimmte gemeinsame Inhalte einlassen und unter anderem der CDU die Posten des Bau- und des Innensenators überlassen. Unterschrieben wurde diese Vereinbarung, damit wird es besonders pikant, unter anderem von Jan Lindenau und der Stadtpräsidentin Schopenhauer.
Unter anderem heißt es in diesem Papier:

1. Die Schulstandorte in den dörflichen Stadtteilen bleiben erhalten. Die anstehenden Maßnahmen in Groß Steinrade und Niendorf werden zügig umgesetzt.
SPDPapier20142. Die durch das Gutachten „Bildung und Region“ zur Schulentwicklungsplanung ausgelöste Diskussion um den Schulstandort Kücknitz/ Trave-Gymnasium wird im Rahmen der anstehenden Schulentwicklungsplanung unter Einbeziehung von Schülern, Eltern und Lehrkräften ein konsensuales Planungsergebnis herbeigeführt. Alle übrigen Standorte der Lübecker Gymnasien werden durch die SPD nicht in Frage gestellt.
3. Um den Schulstandort Travemünde zu sichern, werden die Baugebiete Neue Teutendorfer Siedlung und Howingsbrook ausgewiesen.
4. Der Kurbetrieb Travemünde wird nicht mehr in Frage gestellt.
5. Die Direktwahl des Beirates für Seniorinnen und Senioren bleibt in bisheriger Form bestehen.
6. Die Aufsichtsräte der städtischen Beteiligungen werden geschlechtergerecht nach Fraktionsstärke nach Beschlussfassung über den Jahresabschluss 2014 neu besetzt.
7. Die SPD sichert der CDU das Zugriffsrecht auf die neu zu besetzenden Fachbereichsleiterstellen der Fachbereiche 5 (Planen und Bauen) und 3 (Umwelt, Sicherheit und Ordnung) zu. Die CDU sichert der SPD das Zugriffsrecht auf die zu besetzenden Fachbereichsleiterstellen der Fachbereiche 4 (Kultur und Bildung) und 2 (Wirtschaft und Soziales) zu.

Die SPD fühlt sich an diese Zusagen bis zum Ende der aktuellen Wahlperiode auch dann gebunden und sichert diese zu, wenn es in weiteren Gesprächen nicht zu einer vertiefenden Zusammenarbeit kommen sollte.

Voraussetzung für diese Zusagen ist, dass in der Sitzung der Bürgerschaft am 27.11.2014 der von der SPD nominierte Kandidat Jan Lindenau zum Fachbereichsleiter des Fachbereiches 4 gewählt wird.

Eine Vereinbarung, die mehr als eine Ohrfeige für Lübecker Bürger, insbesondere für die betroffenen Eltern, Schülern und Lehrkräften im Norden Lübecks, deren Interessen als Verhandlungsmasse in einem traurigen Postengeschacher verhökert werden. Wer die Lübecker SPD jedoch im Inneren kennt, ist über diese Selbstverständlichkeit jedoch kaum verwundert: Selbst Ortsvereine sind der Fraktion in Entscheidungen weitgehend gebunden und agieren lediglich als Marionetten.
Somit wird klar, inwieweit man sich in Lübeck bereits vom demokratischen Auftrag des Gemeinwohles verabschiedet hat. Im Mittelalter, so ein kritischer Zuschauer, wären die Verantwortlichen vermutlich dafür über die Stadtgrenzen hinaus gejagt worden.
Lobenswert, dass sich die CDU darauf keineswegs einließ. Die Luft wird dünner für diese SPD, wie ein Bürgerschaftsmitglied vertraulich äußerte. Hauptsache, der Wähler wird dieses Papier nie vergessen. Kathrin Weiher wurde bedauerlicherweise dadurch bereits als erster „Schock“ vermittelt, wie die Uhren hier in Lübeck ticken – da nützt auch das devote Angebot Peter Reinhardts nichts, um „gute Zusammenarbeit“ mit der neuen Kultursenatorin bemüht zu sein.

Ziemlich unspektakulär ging hingegen die Wahl des Lübecker Bausenators über die Bühne: Ohne Gegenkandidaten wurde der langjährige Bausenator Franz Peter Boden in seinem Amt bestätigt – bei einer Gegenstimme. Die kam vom „Narr“ des Hauses, dem Abgeordneten der „Partei“ Bastian Langbehn; jedoch nicht aus fachlichen, sondern aus ästhetischen Gründen.